In den vergangenen Jahren war die Hormontherapie immer wieder Gegenstand der Forschung – dementsprechend breit ist das Wissen rund um diese Behandlungsform. Das Gießkannen-Prinzip von einst, bei dem jeder Frau dieselben Hormone verabreicht wurden, hat ausgedient: Die heutige Hormonbehandlung wird ganz gezielt auf die individuellen Beschwerden und den jeweiligen Gesundheitszustand der Patientinnen zugeschnitten.
Im Überblick:
- Gezielte Hormontherapie
- Einsatzgebiete
- Eingesetze Hormone
- Vor- und Nachteile
- Lokale Anwendung
- Weitere Darreichungsformen
- Pflanzenhormone
- Individuelle Beratung
Gezielte Hormonersatztherapie in den Wechseljahren
Nicht bei allen Frauen sind die Wechseljahrsbeschwerden so stark ausgeprägt, dass sie einer Behandlung mit Hormonen bedürfen. Zwei Drittel der Frauen leiden jedoch mäßig bis schwer unter den Symptomen. In diesen Fällen kann eine Hormonersatztherapie als einzig wirksame Methode deutlich Linderung verschaffen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
Vor Behandlungsbeginn erfolgt ein gründlicher Check-up. Die maßgeschneiderte Therapie, soll sich an den individuellen Beschwerden und Risiken der Frau orientieren. Eingenommen werden sollen nur die Hormone, die fehlen. Die Dosierung muss genau angepasst werden.
Aufgrund neuester Studien wurde die Hormontherapie und deren mögliche Risiken neu bewertet. Einig sind sich Fachleute, dass die Auswahl der Hormone, die Darreichungsform und der Zeitpunkt der Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg, die Verträglichkeit und für die Minderung möglicher Nebenwirkungen sind. Bei der Hormonbehandlung müssen immer die individuellen Risikofaktoren der Frau bedacht werden.
Wann soll mit Hormonen behandelt werden?
Die Hormonbehandlung ist insbesondere bei moderaten bis schweren vasomotorischen Symptomen wie Hitzewallungen und Schweißausbrüchen, die auch zu Konzentrations- und Schlafstörungen führen können, sinnvoll. Ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung für oder gegen eine Hormontherapie ist dabei der Leidensdruck der betroffenen Frau, der von der Schwere der Symptome und deren Auswirkungen auf die Lebensqualität abhängt. Darüber hinaus muss der Gesundheitszustand der Frau berücksichtigt werden. Letztendlich müssen Risiken und Nebenwirkungen der Hormonbehandlung gegen die Vorteile und die Erfolgschancen der Behandlung abgewogen werden.
Hormontherapie: Welche Hormone eingesetzt werden
Viele Frauen leiden in den Wechseljahren (Klimakterium) an zahlreichen Beschwerden, darunter Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Haarausfall und Stimmungsschwankungen. Auch Schlafstörungen sind typisch. Ursache für die Symptome ist die mangelnde Produktion von Geschlechtshormonen in den Eierstöcken. Die Wechseljahrsbeschwerden nehmen in der Regel nach der Menopause, also der letzten Monatsblutung, wieder ab: Dann stellt sich wieder ein hormonelles Gleichgewicht ein. Da die Beschwerden allerdings über mehrere Jahre hinweg bestehen können und der Leidensdruck in dieser Lebensphase häufig hoch ist, ist eine Behandlung in vielen Fällen sinnvoll. Die Einnahme von Präparaten mit Geschlechtshormonen kann den veränderten Hormonspiegel ausgleichen und so die Symptome lindern.
Klassische Hormongaben in den Wechseljahren sind dabei Östrogene, Gelbkörperhormon (Progesteron) und Gestagene. Bei der Behandlung von Wechseljahresproblemen wird inzwischen vermehrt auf bioidentische Hormone gesetzt, die strukturgleich zu körpereigenen Hormonen sind. Dies soll Nebenwirkungen vorbeugen und die Wirksamkeit erhöhen, weshalb viele der modernen Hormonpräparate bioidentische Hormone enthalten.
Das wichtigste Östrogen der Frau ist das Estradiol (Östradiol). Es befindet sich im Gleichgewicht mit Estron. Estradiol und Estron sind ineinander umwandelbar. Ein weiteres natürliches Östrogen der Frau ist Estriol. Estriol ist ein schwächeres natürliches Östrogen und wird vor allem bei lokalen Beschwerden der Harn- und Geschlechtsorgane zugeführt.
Eine Monotherapie mit Östrogen kann zu einem unkontrollierten Wachstum der Gebärmutterschleimhaut führen und damit das Risiko für Gebärmutterkrebs erhöhen. Die Kombinationstherapie mit einem Gestagen kann diesen Veränderungen entgegenwirken. Allerdings zeigen Studien, dass die kombinierte Hormonersatztherapie das Brustkrebsrisiko leicht ansteigen lässt.
Bei den Gestagenen, den synthetischen Abkömmlingen des Progesterons, existiert eine große Vielfalt. Die synthetischen Wirkstoffe haben eine ähnliche Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut wie das körpereigene, natürliche Progesteron.
Eine reine Östrogentherapie ist für Frauen geeignet, deren Gebärmutter entfernt wurde. Die Zugabe eines Gestagens entfällt beispielsweise auch dann, wenn das Östrogen zur alleinigen Behandlung vaginaler Beschwerden lokal angewendet wird.
Risiken und Chancen der Hormonbehandlung
In den letzten Jahren ist die Hormonersatztherapie, die in der Regel aus einer Kombination von Östrogen und Gestagen besteht, aufgrund möglicher Nebenwirkungen wiederholt in die Kritik geraten. Fachleute wie Professor Armin Heufelder aus München warnen jedoch vor einer pauschalen Verteufelung. Nach seinen Angaben sind in den Studien, die Hinweise auf mögliche Risiken ergeben hatten, die falschen Hormone bei den falschen Frauen auf die falsche Art und Weise verabreicht worden. Denn die Art der Hormone und die Einnahmeform spielen eine entscheidende Rolle.
„Vor einer hormonellen Behandlung sollte auf jeden Fall ein Screening klären, ob für die Patientin eine erhöhte Gefahr für Brustkrebs oder eine Herzgefäß-Erkrankung besteht“, so die Hamburger Hormonspezialistin Dr. Katrin Schaudig vom Hormonzentrum Altonaer Straße. „Hat eine Frau beispielsweise Übergewicht oder eine Adipositas mit einem Body-Mass-Index über 30, liegt das Thrombose-Risiko um das Dreifache höher“, so Dr. Schaudig. Erst nach dem Risiko-Check arbeitet der Arzt oder die Ärztin zusammen mit der Patientin eine Therapiestrategie aus.
Die Einnahme von Östrogenen in Tablettenform kann die Gefahr für gefäßverstopfende Gerinnsel (Thrombosen) und einen Schlaganfall erhöhen, die Aufnahme über die Haut (transdermal) dagegen nicht. Dies gelte ebenso bei einer familiär vererbten Thrombose-Neigung, sagt Schaudig. Das Risiko für Thrombosen kann laut Heufelder noch weiter gesenkt werden, wenn das Östrogen mit natürlichem Progesteron kombiniert wird.
Darüber hinaus wirken sich transdermale Östrogene in Kombination mit natürlichem Progesteron positiv auf das Herzkreislaufsystem aus, weil sie beispielsweise erhöhte Triglyceride und den Blutdruck senken. Daher werden transdermale Östrogene insbesondere auch Frauen empfohlen, die etwa wegen Übergewicht oder Diabetes mellitus bereits ein erhöhtes Thromboserisiko aufweisen. Ein weiterer Vorteil der Zusammensetzung aus Östrogen mit natürlichem Progesteron gegenüber der Zusammensetzung mit synthetischem Gestagen – entsprechende Hormonpräparate steigern nicht das Brustkrebsrisiko. Das natürliche Progesteron allein hat positive Zusatzeffekte: So wirkt es leicht stimmungsausgleichend, nervenschonend, entwässernd und bessert Schlafstörungen.
Lokale Östrogentherapie bei vaginalen Beschwerden
In den Wechseljahren kommt es durch die Rückbildung der Scheidenwand häufig auch zu vaginalen Symptomen wie Scheidentrockenheit, Juckreiz und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie). Diese Symptome lassen sich mit Hormonpräparaten gut behandeln. Eine lokale Behandlung mit Vaginalzäpfchen oder Creme bietet sich vor allem dann an, wenn ausschließlich vaginale Beschwerden bestehen. Bei Frauen in den Wechseljahren kommt es mitunter auch zu wiederkehrenden Infektionen der Harnwege – im Rahmen einer Östrogentherapie können diese Beschwerden ebenfalls zurückgehen.
Darreichungsformen: Spray, Tabletten, Gel oder Zäpfchen?
Neben der Zusammensetzung der Hormontherapie muss auch die optimale Darreichungsform ärztlich abstimmt werden. So stehen verschiedene Anwendungsformen zur Verfügung, darunter:
- Sprays
- Tabletten
- Gele
- Vaginalzäpfchen
- Pflaster
Welche Darreichungsform sich im Einzelfall am besten eignet, hängt unter anderem vom Beschwerdemuster und den vorliegenden Krankheitsrisiken ab. Im Allgemeinen gilt die Östrogenzufuhr über die Haut, etwa als Spray, als vergleichsweise nebenwirkungsarme Form der Hormontherapie.
Soja oder Rotklee: Vorsicht bei pflanzlichen Hormonen
Richtig angewandt, birgt eine Hormontherapie viele Chancen. Diese Einschätzung wird beispielsweise durch Analysen der "Women's Health Initiative" (WHI) gestützt, die US-Forschungsteams erstmals 2002 veröffentlichten. Dr. Katrin Schaudig fasst die entscheidenden Ergebnisse zusammen: "Beginnt die hormonelle Behandlung spätestens bis zum 60. Lebensjahr, verringert sich die Gesamtsterblichkeit der Frauen und das Diabetes-Risiko. Doch viele Frauen sind immer noch durch alte Studien verunsichert, obwohl diese inzwischen mehrfach widerlegt wurden. Sie befürchten beispielsweise ein höheres Brustkrebs- oder Herzinfarkt-Risiko. Allerdings ist eine gezielte Behandlung mit den richtigen Hormonen ausschlaggebend.
Aus Angst vor den Risiken setzen viele deshalb auf eine Phytotherapie mit freiverkäuflichen Hormonpräparaten mit pflanzlichem Östrogen etwa aus Rotklee oder Soja. Oft versuchen sie damit in Eigenregie, ihren körpereigenen Hormonhaushalt zu regulieren. Doch auch der Einsatz von Phyto-Hormonen sollte immer gynäkologisch abgesprochen werden. Denn die Wirkung dieser Substanzen ist nicht ausreichend untersucht, und pflanzlich-natürlich bedeutet nicht immer automatisch harmlos und sanft.
Hormonbehandlung ist und bleibt individuelle Entscheidung
Letztendlich können Fachleute nur allgemeine Empfehlungen aussprechen. Die Entscheidung, ob eine Hormontherapie infrage kommt, muss individuell mit dem*der Frauenarzt*Frauenärztin abgestimmt werden. Umfassende Information und eine ausführliche gynäkologischen Beratung sind hier die richtige Basis.
Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und viel körperlicher Bewegung hilft darüber hinaus, vielen altersbedingten Erkrankungen und Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gallenleiden und Osteoporose vorzubeugen und Beschwerden die durch die Wechseljahre entstehen, zu lindern.